3DDZR International Special: Study Visit Lille

3DDZR International Special: Study Visit Lille

Hallo Player und Hater des 3D-Druck Games,

im Rahmen einer Study Visit zum Thema Kultur und Digitalisierung wurde ich als Botschafter der digitalen Kultur von Ecce nach Lille eingeladen, um dort in einer kleinen aber feinen Runde mit französischen Akteuren und Machern der digitalen Kultur in Lille, Region Nord-Pas-de-Calais, Frankreich zu connecten, vergleichen und Kooperationen einzustielen.

In nur einem Tag wurden wir von unserer bezaubernden Gastgeberin Morganne durch verschiedene Stationen gelotst, die, eine atemberaubender als die andere, sich alle mit digitaler Kultur, Kreativität und Business beschäftigen.

Bevor ich mit dem eigentlichen Bericht über die verschiedenen Einrichtungen beginne, möchte ich gern einige Worte über Lille und die Region Nord pas d’Calais schreiben.

Lille und Umgebung waren bis vor wenigen Jahrzehnten wichtige Zentren der französischen Kohle und Textilindustrie. Hauptarbeitgeber waren Bergwerke und Textilfabriken. Ähnlich wie im Ruhrgebiet sind diese Industriezweige abgewandert in andere Teile der Erde und damit wurden Tausende arbeitslos. Strukturwandel war auch hier ein Begriff, der für die Stadt und die Region weitreichende Veränderungen bedeutete.

Es wurden erhebliche Summen in die Projekte zur Umstrukturierung gesteckt und ich durfte Zeuge der Erfolge werden, die im Bereich Kultur und Digitalisierung erzielt werden konnten.
Ich halte die Richtung, die die Region Nord-Pas-de-Calais eingeschlagen hat für zukunftsweisend in Bezug auf die Entwicklung unseres eigenen Standortes, des Ruhrgebiets, und meine Mitreisenden, die beide aus Dortmund kommen, sehen das ähnlich.

Doch nun zu dem eigentlichen Thema, unserer Reise durch die digitale Metropole, Lille!

Erster Stopp auf unserem Trip war der Campus von Euratechnologies. Ein Hightechcampus, errichtet in einer alten Weberei, die zu den Hauptarbeitgebern der Umgebung gehörte. Als innovatives Zentrum für IT-Firmen aller Art bietet Euratechnologies den angesiedelten Startups eine Plug-and-Play Infrastruktur, mit der dynamisches Wachstum und Anpassung an die Auftragslage schnell und unkompliziert möglich sind.
Chief Operating Officer Jerome Fauquembergue zeigte uns den beeindruckenden Campus und erklärte uns die Philosophie und Ausrichtung des Techclusters, der 2009 gegründet wurde.
Ein Inkubatorprogramm ermöglicht es den Startups, di e sic h erfolgreich hierfür bewerben, drei Monate lang die Vorzüge des Techclusters mietfrei zu nutzen und sich am Markt zu positionieren.
Sollte sich das Unternehmen tragen, können au f dem Campus Räume angemietet werden.
Das erklärte Ziel von Euratechnologies ist es, bis 2020 genau so viele Arbeitsplätze zu schaffen, wie die alte Weberei einst hatte.

Ein Projekt, das uns bei unserem Aufenthalt vorgestellt wurde, war smartculture.
Smartculture wurde als mehrjähriges europaweites Projekt aufgelegt, bei dem in 8 europäischen Regionen von Bulgarien bis Großbritannien die Nutzung digitaler Technologien in Kultur und Kulturerbe gepushed werden sollten. Auch sollten durch die internationle Kooperation Wege gefunden werden, Wachstum in der Kreativwirtschaft zu erwirken. Die Ergebnisse wurden in der smartculture week vorgestellt und sind alle öffentlich einsehbar.

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Nach kurzen 90 Minuten war unser Besuch leider schon zu Ende, denn wir hatten einen strikten Zeitplan, noch 4 andere Einrichtungen warteten auf uns und es sollte immer besser werden!

Nur ein paar Minuten Autofahrt entfernt, kamen wir zu unserem nächsten Ziel:
dem l’hybride, einer zu einem Multimedia Kino ausgebauten Autowerkstatt, wo uns Antoine Manier und Salomé Monclaire von Rencontres Audiovisuelles empfingen. Rencontres ist eine Non-Profit Organisation, die sich mit Cinematografie, Animation und innovativen Multi- und Transmedia Projekten beschäftigt. Neben dem l’hybride, das als Aufführungs- und Ausstellungsort für verschiedenste Projekte dient, bieten Rencontres Audiovisuelles Workshops an und stellen in deren Rahmen Nachwuchsartists kostenlos Equipment zur Verfügung um deren Projekte zu verwirklichen.

Das Digital Stories Projekt erforscht neue Möglichkeiten der interaktiven Cinematografie, z.B. wurden Kinovorstellungen durchgeführt, bei denen das Programm vom Publikum in Echtzeit mit Laserpointern manipuliert werden konnte. Ein Sensor erkannte die Bewegungsmuster der Lichtpunkte auf der Leinwand und löste entsprechende Reaktionen auf dem Screen aus.

 

Es ist unmöglich, die verschiedenen Projekte in aller Ausführlichkeit zu beschreiben und auch hier war die Zeit, die uns blieb, um sich auszutauschen leider viel zu knapp bemessen. Ein Projekt, das mich besonders interessierte, war das video mapping. Mit Hilfe photogrammetrischer Software werden 3D-Modelle von Gebäuden erstellt, die dann mit Animationen bespielt werden und auf die Fassade des Gebäudes projeziert werden. Aber Worte können nicht erklären, was man in den kurzen Videos von Rencontres Audiovisuelles sieht.

Hier bin ich auf jeden Fall nicht zum letzten Mal gewesen, eine Vorstellung im l’hybride steht nun definitiv auf meiner Dinge-bevor-ich-sterbe-Liste.

 

Der Abschied vom l’hybride fiel schwer, aber die nächste Station hatte es nicht weniger in sich:

Das Le Fresnoy befindet sich am Rande der Plaine Images, einer riesigen Anlage, die ebenfalls in einer alten Textilfabrik errichtet wurde und hunderte Firmen beherbergt, die sich unter anderem mit Design, Gamification, Animation und Videogames beschäftigen.

Doch der Reihe nach:

Bei unserer Ankunft am Le Fresnoy wurden wir herzlich empfangen und im Galopp durch die Räumlichkeiten geführt. Eile war auch hier geboten, denn die kurze Zeit, die wir vor Ort verbringen konnten sollte sich lohnen:

Im Le Fresnoy werden 48 „Studenten“ in zweijährigen Kursen auf höchstem Niveau dabei unterstützt , ihre eigenen Kunstprojekte zu realisieren. Der Anspruch, eine „high-tech Villa Medici“ zu sein, ist nicht einfach aus der Luft gegriffen:

Wer das Aufnahmeprozedere besteht, das neben einem Abschluss an einer Akademie der Künste auch eine 5 jährige professionelle Karriere voraussetzt, kann alle Vorzüge des Fresnoy voll ausschöpfen: Ein state of the art Fotolabor, dessen Equipment einmal im Jahr erneuert wird, um immer auf dem höchsten Niveau zu sein, ein komplettes Tonstudio, einen Greenscreen so gross, dass man ein ausgewachsenes Piratenschiff reinstellen könnte, Kino mit Schnittplatz, komplette Holz und Metallwerkstatt und für uns besonders interessant: ein derzeit im Aufbau befindliches fablab.

Eric Prigent, digital arts teaching coordinator, erklärte mir das Curriculum in einfachen Schritten:

Pro Jahr stehen jedem Studenten 8000 € Projektbudget zur Verfügung, mit dem er in Zusammenarbeit mit einem der Visiting Artists Professors, die allesamt international renommierte Künstler sind, ein Projekt realisiert. Diese wird dann in der Jahresausstellung des Frenoys, der Panorama vorgestellt. Während im ersten Jahr jedem Studikus ein Projekt seiner eigentlichen Profession gewährt wird, muss das zweite Projekt ein anderes Genre mit einbeziehen. So wird im Fresnoy ein reger Austausch der Kunstformen angeregt.

Für die Aufnahme ist die eigentliche Kunstrichtung unerheblich: Bildhauer, Schauspieler, Regisseur, Fotograf, Maler, digital Artist, Musiker, Performance Art, jede Kunstform ist hier willkommen um den Horizont zu erweitern. Gerade, als das Gespräch mit Eric auf die Themen Kunst und 3D-Druck und die Möglichkeiten und Herausforderungen kam, musste unsere Begleiterin Morganne leider schon wieder auf die Uhr zeigen und wir mussten weiter zum nächsten Hotspot digitaler Kultur.

 

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Es war schon ein wilder Ritt bis hierhin, soviel Input das verarbeitet werden wollte. Ein echter kleiner Kulturschock. Direkt auf der anderen Strassenseite vom Fresnoy befindet sich die bereits erwähnte Plaine Images.

 

Ein weiterer Cluster von Firmen, die sich allen erdenklichen Feldern der audiovisuellen Medien widmen. Unser Besuch hier war noch kürzer, in 20 Minuten konnten wir die Ausstellung im Hauptgebäude besuchen, wo Video Games aller Couleur geboten wurden. Der beeindruckende Komplex beherbergt Co-Working Spaces, Büros und Studios und wird derzeit ausgebaut, da alle Flächen bereits ausgebucht sind.Bis 2020 wird die bereitgestellte Fläche verdoppelt.

 

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Letzter Stopp auf unserer Tour war das Headquarter von Pictanovo, einer Agentur, die öffentliche Fördermittel für Film- und innovative Multimedia-Projekte verwaltet.

Eine kurze Präsentation mit dem Showreel bereits erfolgter Produktionen, dann war unsere Zeit bereits abgelaufen, denn der TGV nach Brüssel wartete nicht auf Zuspätkommer.

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Mein Fazit aus dieser intensiven Kurzreise nach Lille ist, das die dort erfolgten Anstrengungen in den letzten Jahren wegweisend für unsere Region sein sollten.

Alle Einrichtungen sind teilweise oder hauptsächlich von der öffentlichen Hand finanziert und ohne eine solche Förderung sind solche Mammutaufgaben wie ein umfassender Strukturwandel weg von Montan- und Textilindustrie nicht zu schaffen. Es braucht Anreize um die guten Köpfe der Region zu halten und eine echte Strahlkraft in die Welt zu erreichen, die neues Potenzial in die Gegend lockt.

Wir vom 3D Druckzentrum Ruhr sehen uns in unserer Philosophie bestärkt, offenere, transparentere und vor allem neue Möglichkeiten der außerschulischen Weiterbildung und Teilhabe an der digitalen Welt und ihrer Möglichkeiten zu schaffen.

 

Besonderer Dank geht hier noch von meiner Seite an das European Center for Creative Economy, ohne deren Unterstützung ich nicht in den Genuss dieser Reise gekommen wäre.